Mittwoch, 5. März 2014

Wahre Schicksale

Ein Leben ohne Angst und Hunger

Asylbewerber aus Eritrea erzählen über ihre Flucht aus Afrika und die ersten Tage in Rheda-Wiedenbrück

Sie erzählen von Flucht und Vertreibung, einer lebensgefährlichen Fahrt in kleinen Kähnen über das Mittelmeer und den Hoffnungen auf ein neues Leben in Deutschland. WESTFALEN-BLATT-Volontär Florian Weyand hat Flüchtlinge aus Eritrea besucht, die in Rheda-Wiedenbrück eine neue Heimat gefunden haben. Sie wollen nur eins: endlich in Frieden leben und arbeiten.

Fatima und Ali Osman leben gemeinsam mit ihrem Sohn Murat seit sieben Wochen im Flüchtlingsheim am Holzbach. Obwohl die 25-Jährige Fatima im zweiten Monat schwanger ist, wagt sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem kleinen Kind die Flucht nach Europa. Von ihrer Heimat Eritrea aus fliehen sie durch die staubigen Wüsten des Sudan, anschließend nach Libyen. Dort finden sie Platz auf einem kleinen Boot – das sie in eine bessere Welt bringen soll.


Doch die Fahrt über das Mittelmeer erweist sich als lebensgefährlich. Hohe Wellen schaukeln das Boot immer wieder durch. An Bord herrscht großer Hunger, die Mägen knurren. »Wir haben Tage lang nichts zu Essen bekommen«, erzählt Fatima. In Rheda-Wiedenbrück, mehr als 7000 Kilometer von zu Hause entfernt, leben sie nun in einem etwa zwölf Quadratmeter großen Zimmer. Kein Luxus. Alles ist spartanisch eingerichtet. Mehr als ein Tisch, ein Bett und einen Schrank gibt es nicht. Das Paar ist dennoch glücklich. Endlich können sie abends ohne Angst die Augen schließen, von einer besseren Zukunft für ihre kleine Familie träumen.
Dass die Eingewöhnungszeit von kurzer Dauer ist, dafür sorgt Sara Mohamed Nur. Als die Regierung ihren Mann aus politischen Gründen für elf Jahre ins Gefängnis steckt, flüchtet sie vor acht Jahren nach Deutschland. In Eritrea hat sie als Köchin in der Botschaft Saudi-Arabiens gearbeitet. In Rheda-Wiedenbrück ist sie die gute Seele des roten Klinkerbaus und kümmert sich um die Neuankömmlinge. Mit besonderer Liebenswürdigkeit natürlich um Menschen aus ihrer Heimat. Doch lange ist sie die einzige Bewohnerin aus Eritrea. »Ich habe oft am Bahnhof gesessen und jeden angesprochen, der afrikanisch ausgesehen hat«, sagt sie. Innerlich geht sie die Zeit noch einmal durch den Kopf, fängt dann plötzlich an zu weinen.
Zu Tränen rührend ist auch die Geschichte von Meseret Dubi. Die 26-Jährige ist vor 28 Tagen mit ihrem zwei Monate alten Kind im Flüchtlingsheim angekommen. Tochter Rufta bringt sie noch in Lybien zur Welt, während sie auf eine Gelegenheit zur Flucht wartet. Ihr Mann ist noch im Sudan, ihr zweites Kind müssen beide in Eritrea zurücklassen, wo es bei Nachbarn lebt. Das gleiche Schicksal teilt auch die 27-Jährige Abeba Abadi, die gleich drei Kinder in Afrika lassen muss.
Untereinander verständigen sich die Flüchtlinge noch in ihrer Heimatsprache: Tigrinya, Tigre oder Afar. In Zukunft möchten sie sich auf Deutsch unterhalten. Mit Sara Mohamed Nur, die die Sprache schon beherrscht, lernen sie bereits erste Vokabeln. »Hallo« und »Wie geht es dir?« gehören zum festen Wortschatz. Gern würden auch die neuen Flüchtlinge einen Sprachkursus besuchen. Das Problem: Den müssen sie aus eigener Tasche bezahlen. So will es die Gesetzeslage. »Das ist eine Riesenkatastrophe. Erst wenn der Aufenthaltsstatus fest steht, werden die Kurse bezahlt: Das dauert bis zu zwei Jahren«, sagt Flüchtlingsberaterin Marita Sieben.

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